"20 Jahre friedliche Revolution" "“ "Praha "“ Gdansk "“ Leipzig"
"Der Untergang von Diktaturen und die großen Übergänge der Geschichte zeigen uns wie veränderlich und zerbrechlich die menschlichen Maßstäbe sind."
(CzesÅ‚aw MiÅ‚osz, polnischer Dichter und Literatur-Nobelpreisträger))
Vor 20 Jahren begannen die großen Umbrüche in den Ländern Osteuropas und noch immer versetzt das Geschehene von 1989 in Staunen. Mit den ausgewählten Filmen laden wir Sie zu einer filmischen Spurensuche nach Zeichen und Sichtweisen in den Jahren vor der friedlichen Revolution ein und schauen mit Volker Koepp auf die Zeiten des Umbruchs.
Volker Koepp, einer der großen deutschen Dokumentarfilmer, wird bei uns zu Gast sein. Seine Filme, in der DDR immer wieder zensiert oder verboten, schauen mit genauem Blick hinter die Kulissen. Koepp ist nicht einer, der schönzeichnet sondern mit Gefühl das Vertrauen der Menschen, die er porträtiert, gewinnt. So entstanden und entstehen Filme, die aus ihren Bildern heraus sprechen.
Mit Reiner Kunzes "Die wunderbaren Jahre" kommt ein Film zur Aufführung, dessen Regisseur und Autor, als Schriftsteller in den 70er Jahren eine Kultfigur der DDR-Jugend war.
Doch ob es der Prager Frühling, der Aufstand in Ungarn oder die SolidarnoÅ›?‡ in Polen war, die Geschichte bis 1989 ist vielfältig. Und immer gab es ein anderes Denken, als Opposition, Kreativität oder einfach nur als Wille zum Leben ohne Konventionen. Mit unserer Filmreihe gehen wir noch einmal auf Entdeckung, Altes und Neues verbindet sich und es ist spürbar, das der Übergang in die "neue Zeit" noch lange nicht abgeschlossen ist.
Wir danken dem Freistaat Sachsen und der Stiftung Aufarbeitung für die Unterstützung dieser Filmreihe.
Sammelsurium - Ein ostelbischer Kulturfilm
D 1992, 104 Min
Regie: Volker Koepp
Kamera: Thomas Plenert
Schnitt: Angelika Arnold
Eine "archäologische Spurensuche" auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Was wie ewig erschien, verging doch mit großer Geschwindigkeit. Die "ewigen" Betongrenzen und die "ewigen" Standbilder wurden geschleift, die "ewige" Freundschaft zur Sowjetunion scheint schnell aus den Köpfen "“ überall abgebrochene Ewigkeiten. Doch die versunkenen Orte sind lokalisierbar. Und obwohl vieles schnell vergessen sein wird, gibt es noch genügend Menschen, die berichten können. "Sammelsurium" ist Spurensuche und Archäologie, sammelt Erinnerungsstücke und schaut dem Verschwinden zu.
Märkische Trilogie
DDR/D 1988 - 1991, 165 min
Regie: Volker Koepp
Kamera: Thomas Plenert
1988 fährt Volker Koepp erstmals in die ostdeutsche Kleinstadt Zehdenick, um eine verkommene Ziegelei zu beobachten. Im November 1989 kommt er wieder. Diesmal trifft er mitten in der "Wende" auf bierselige Stammtischbrüder. Sein letzter Besuch, während der Währungsumstellung 1990, zeigt Arbeitslose neben Westbesuchern und den totalen Zerfall der DDR-Gesellschaft.
Märkische Ziegel, DDR 1988
Frühjahr 1988, die kommende politische Veränderung ist noch fern, märkische Kleinstadt Zehdenick an der Havel. Seit genau 100 Jahren bestimmen Ziegeleien den Lebensrhythmus der Zehdenicker. Gestandene Ziegler und junge Facharbeiter äußern sich freimütig über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Bereits 1988 fertiggestellt, erhielt der Film erst im Sommer 1989 nach Streichung einer Szene die Freigabe von der Hauptverwaltung Film.
Märkische Heide, Märkischer Sand, DDR 1989
Ende und Aufbruch, Hoffnungen und Ungewissheiten. Als Koepp und Plenert im Herbst 1989 nach Zehdenick und zur dortigen Ziegelei zurückkehren, ahnen sie nicht, dass sie den Zusammenbruch der DDR aus dem märkischen Blickwinkel heraus filmen werden. Etwas unaufgeregter, doch nicht weniger folgenschwer, vollziehen sich hier die Veränderungen, versuchen sich die Einwohner im Ruppiner Land mit den neuen Gegebenheiten zurechtzufinden. Den Filmemachern gelingt es, die politischen Veränderungen ebenso präzise einzufangen wie die dem gegenüber teilnahms- und zeitlose Schönheit der Landschaft.
Märkische Gesellschaft mbH, D 1991
Jahr Eins des wiedervereinigten Deutschland. Die Ziegelei ist nun privatisiert "“ bei genauerer Recherche erweisen sich die Eigentumsverhältnisse jedoch als durchaus unscharf. Gearbeitet wird hier jedenfalls kaum mehr. Eine zufällige Passantin behauptet, sie sei Miteigentümerin des Komplexes, weil sie vor 1945 Aktien am Unternehmen gekauft habe. Sie sei zwar von der Bundesregierung entschädigt worden, spricht die Rentnerin, aber das meiste hätten ja die Juden bekommen. "Ihr seid doch keine Juden?", fragt sie drohend die Filmemacher und plaudert nach diesem Blick in die Abgründe ihrer Seele munter weiter.
Arkona, Rethra, Vineta - Reise zu versunkenen Orten
DDR 1990, 122 Min, dt
Regie: Volker Koepp
Kamera: Gunther Becher
Dokumentarfilm über längst vergessene Orte zwischen Oder und Elbe. Im Frühjahr 1989 beginnt Volker Koepp mit der Arbeit an einem Dokumentarfilm. Seine Gesprächspartner - Fischer, Archäologen, Hausfrauen, Pfarrer - sprechen bald immer deutlicher den Zustand des DDR-Regimes an. Koepp verlängert die Dreharbeiten und dokumentiert die Zuspitzung der Unzufriedenheit, die schließlich zu offener Kritik am System führt.
Wittstock, Wittstock
D 1997, 110 Min, dt.
Regie: Volker Koepp
Kamera: Christian Lehmann
Schnitt: Angelika Arnold
Das abschließende, 22 Lebensjahre umfassende, Portrait dreier Frauen spiegelt nicht nur den Mikrokosmos einer ostdeutschen Kleinstadt, sondern die großen Umbrüche eines Landes wider. Der Textilbetrieb von Elsbeth, Renate und Edith, die der Arbeit wegen nach Süddeutschland gezogen ist, ist endgültig abgewickelt, die Maschinen versteigert, die Hallen inzwischen u. a. vom Arbeitsamt genutzt. Die Arbeitslosigkeit hier in der Gegend ist hoch, besonders trifft es jedoch die Frauen, die sich vor der Abhängigkeit von ihren Ehemännern und der eigenen, gefühlten Nutzlosigkeit fürchten. "Nischt wird gut. "¦ Es wird Bürgerkrieg geben".
Filme aus Deutschland
Die wunderbaren Jahre
D 1979, 104 Min, dt
Regie/Buch: Reiner Kunze
Mit Gabi Marr, Martin May, Dietrich Mattausch, Christine Wodetzky
Nach der Veröffentlichung seines regimekritischen Prosabands "Die wunderbaren Jahre" wurde Reiner Kunze aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen. In die Bundesrepublik ausgereist, verfilmte er das Buch, das über das eingeschränkte Leben junger Menschen in der DDR der Siebziger Jahre erzählt: Der 17-jährige, musikalisch hochbegabte Stephan wird wegen regimekritischer ?ußerungen der Schule verwiesen. Da ihm nun die Zukunft als Musiker verbaut ist, begeht er Selbstmord. Seine Freundin Cornelia will ihm in den Tod folgen, wird von ihren Eltern aber im letzten Moment davon abgehalten
Ein Traum in Erdbeerfolie
D 2008, 84 Min
Regie: Marco Wilms
Mit Frank Schäfer, Sabine von Oettingen, Klaus Ehrlich, Marco Wilms, Jürgen Hohmuth
Inmitten des restriktiven DDR-Alltags gab es eine Phantasiewelt, eine wilde Parallelwelt der Mode- und Überlebenskünstler Ostberlins. Hier konnte man aus der Reihe tanzen, individuell und provokant sein. Wichtigstes Erkennungsmerkmal der Szene war der persönliche Style, denn den konnte man zu DDR-Zeiten nicht kaufen. Man musste sich in der Parallelwelt sein individuelles Image selber basteln. Der Film erzählt von den Sehnsüchten, Leidenschaften und Träumen, die im Schatten der Mauer erprobt, gelebt und inszeniert wurden.
Gesicht zur Wand
D 2008, 85 Min, dt.
Regie/Buch: Stefan Weinert
Mit Anne K., Catharina M., Mario R., Andreas B., Lothar R.
Gesicht zur Wand ist ein sehr persönliches Portrait über fünf durch die Stasihaft traumatisierte Menschen. Die sehr unterschiedlichen "Leute von nebenan", wurden wegen Republikflucht durch die damalige Staatssicherheit der DDR als Staatsfeinde verurteilt. Alle fünf beschreiben ihren Weg vom Damals ins Heute und wie es zu dem kam, was heute auf Ihnen lastet: "Ein Stein auf der Seele". Sie stehen für eine Gruppe von 72.000 ehemals inhaftierten DDR-Republikflüchtigen.
Hans im Glück
D 2009, 60 Min, dt.
Regie: Claudia Lehmann
Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall. Hans Narva, laut Pass Torsten Müller-Fornah, heute 40, ist Musiker, Nostalgiker und Kapitalismus-Verweigerer, in jedem Fall ein echtes Berliner Urgestein. Er verbrachte sein ganzes Leben in Ost-Berlin, die erste Hälfte im Sozialismus, die zweite Hälfte im Kapitalismus. Obwohl sich sein Lebensmittelpunkt seit seiner Geburt nicht merklich verändert hat, lebt er heute in einer völlig anderen Welt. Der Soundtrack zu seinem Leben ist die Musik, die Hans (mit)verantwortet hat und die seine jeweiligen Lebensstationen widerspiegelt. Sie ist sein Zufluchtsort und zugleich ein Dokument der jeweiligen Zeit. Der Song seiner Band Herbst in Peking "Wir leben in der Bakschischrepublik" wurde 1989 zur Hymne der Wende.
Sag mir wo die schönen sind...
D 2008, 90 Min, dt.
Regie: Gunther Scholz
Fotos: Gerhard Gäbler
Im Mai 1989, wenige Monate vor dem Untergang der DDR, fand in Leipzig eine Misswahl statt. Ein junger Fotograf porträtierte damals 20 Kandidatinnen und befragte sie mit dem Kassettenrecorder. Wir haben sie gesucht und neun von ihnen in diesem Film porträtiert: sie leben heute in der Schweiz, in Dubai oder noch immer in Leipzig. Ein Film über junge Frauen, die noch in der DDR großgeworden sind. Heute sind sie 40.
Der Anfang vom Ende
Deutschland 2009, 45 Min, dt.
Regie: Bernd Fischer
Wider besseres Wissen "korrigierte" die SED-Führung die Ergebnisse der Kommunalwahlen im Jahr 1989. Die erstarkte Opposition schaffte es mit viel Phantasie und Chuzpe, die Wahlauszählungen in vielen Teilen des Landes zu überprüfen und den Wahlbetrug somit nachweisbar zu machen. Die SED-Führung hat sich damit erneut und in aller Form diskreditiert - es war ein weiterer Sargnagel für die Diktatur und somit der Anfang vom Ende der DDR.
Wie Feuer und Flamme
D 2001, 94 Min, dt.
Regie: Connie Walther
Nele liebt Captain. Und Captain liebt Nele. Das klingt einfach - ist es aber nicht, denn wir befinden uns im Jahr 1982. Nele lebt in West-Berlin und Captain ist ein Punk in Ost-Berlin. Zwischen ihnen gibt es scheinbar unüberwindliche Hindernisse: die Mauer, die Eltern, die Clique und vor allem die Stasi. Doch die Beiden geben nicht auf, denn sie wissen: wer nicht bereit ist für seine Liebe zu kämpfen, hat schon verloren.
Der Baulöwe
DDR 1980, 86 Min, dt.
Regie: Georgi Kissimov
Mit Rolf Herricht, Annekathrin Bürger, Agnes Kraus, Franziska Troegner, Herbert Köfer, Gerry Wolff
Ralf Keul, beliebter Fernseh-Entertainer, baut ein Häuschen an der Ostseeküste. Das Geld dafür kann er irgendwie aufbringen. Allerdings droht das Vorhaben an der Unerfahrenheit des Bauherren zu scheitern, der offensichtlich noch nie etwas von den in der DDR geltenden (mangel)wirtschaftlichen Verhältnissen gehört hat ...
Film aus Osteuropa
Tausendschönchen
CSSR 1966, 74 Min, dt.
Regie: Vera Chytilová
Mit Jitka Cerhová, Ivana Karbanová, Julius Albert, Jan Klusák, Marie Cesková, Jirina Mysková, Marcela Brezinová
Marie 1 und Marie 2 sind einer Meinung: Die Welt ist verdorben. Man kann ihr nur begegnen, indem man noch verdorbener wird. Von da an tun sie, was ihnen gefällt. Das beschränkt sich auf mehr oder weniger kleine Gemeinheiten und minderschwere Sachzerstörung. Besonders hübsch ist allerdings die Schlussszene, in der die beiden ein riesiges Büffet systematisch ruinieren. Damit nicht genug: Am Ende schieben sie die zerschlagenen Schüsseln und den zermatschten Salat wieder zusammen, als ob es da noch etwas zu retten gäbe...
Citizen Havel
CZ 2008, 119 Min, OdU
Regie: Miroslav Janek und Pavel Koutecký
Der Dissident wird Präsident. Von den Kommunisten wurde er verfolgt. Nach dem Fall des Regimes wurde er zum ersten Staatspräsidenten der Tschechischen Republik: Václav Havel.
Mut für den Alltag
CSSR 1964, 87 Min, OmeU
Regie: Evald Schorm
Mit Jan Kacer, Jana Brejchová, Josef Abrhám, Vlastimil Brodský
Jardas hat keinen Sinn für Humor und ist nicht einmal imstande, für seine Liebe zu einem Mädchen zu leben, das ihn, anders als er sie, tatsächlich liebt. Eigentlich gibt es niemanden, zu dem er eine Beziehung hat. Er schwelgt in den von der Partei verkündeten Pseudowahrheiten und Paradoxien und meint, der einzige Gerechte auf der Welt sein, vielleicht sogar ein Märtyrer für den kommunistischen Glauben. Der erste Langspielfilm Evald Schorms, "Philosoph der Tschechischen Neuen Welle" hatte ein Jahr Exportverbot.
Dead Forest / Mrtvý les a jiný bulšit
CZ 2000, 74 Min, OeU
Regie: Pavel Marek
Mit Ivan Trojan, Zuzana Å ulajová, Miroslav Krobot, Nina Divíšková, Karel HeÅ™mánek, Petra Lustigová
Eine Anthologie von vier surrealistischen, existenziellen Grotesken, welche die Pixilation-Technik einsetzen (belebende Phasenschauspieler), ursprünglich produziert Ende der Achtziger Jahre von Untergrundfilmemachern.
Katyn
PL 2007, 125 min, O+dtÜ
Regie: Andrzej Wajda
Mit Maja Ostaszewska, Artur Żmijewski, Maja Komorowska
Im Jahre 1940 wurden 20.000 polnische Offiziere und Intellektuelle von Einheiten des sowjetischen Geheimdienstes in KatyÅ„ exekutiert. Andrzej Wajdas Tragödie ist ein Verarbeitungsversuch eines nationalen Traumatas und ein Gegenzeugnis zu der offiziellen sowjetische Geschichtsversion, die das Massaker noch bis 1990 den Nazis zuschrieb.
Der Wendehals
Polen 1994, 79 Min,
Regie: Kasimierz Kutz
Mit Zbigniew Zamachowski, Zofia Rysiówna, Anna Waszczyk, Henryk Bista, Stanislaw Gorka
Tomasz nimmt im Auftrag der Partei an einer Solidarnosc-Kundgebung teil, um seine Kollegen zu bespitzeln. Doch am nächsten Tag wird er selbst festgenommen: Er wurde fotografiert, als er lauthals mitgesungen hatte. Ein Film über den politischen Umbruch in Polen zwischen Komik und Tragik, Absurdität und Aberwitz.
Ich, die Gräfin
BG 1989, 119 Min, OdU
Regie: Petar Popzlatew
Mit Swetlana Jantschewa, Alexandr Dojnow, Itzchak Finzi, Katja Paskalewa, Petar Popjordanow
Sybilla ist die so genannte Gräfin, die 1968 ein unangepasstes Hippie-Leben mit freizügigem Sex und Drogen führt "“ und dafür eine qualvolle Odyssee durch die verschiedenen staatlichen Institutionen wie Psychiatrie, Umerziehungsheim, Arbeitslager und Gefängnis inklusive Resozialisierungsversuche über sich ergehen lassen muss. Nicht nur die Geschichte, auch die experimentelle Filmsprache war geradezu revolutionär, nicht nur für bulgarische Verhältnisse.
The Sun Street Boys / A Nap utcai flíºk
HU 2007, 89 Min
Regie: György Szomjas
Mit Peter Barnai, Sandor Czeczo, Kata Gaspar, Tamas Bruckner, Gergo Fekete, Lajos Juhasz
Budapest 1956: Eine Gruppe von Jugendlichen gerät in die sich überstürzenden Geschehnisse der ungarischen Revolution. Die Freunde verschanzen sich im Quartierkino, hören die Musik des Aufbruchs, die diese Generation damals auf Radio Free Europe hörte: Presley, Little Richard, und stellen Molotowcocktails her, die sie gegen die russischen Panzer einsetzen. Nach wenigen euphorischen Tagen werden das Kino und seine jugendlichen Verteidiger über den Haufen geschossen.