Jüdisches Leben in Osteuropa
Wir begeben uns auf cineastische Spurensuche vergangenen und gegenwärtigen jüdischen Lebens im Osten Europas. Im Spannungsfeld erlebter Geschichte und des immer noch vorhandenem Antisemitismus erzählen zehn Spiel- und Dokumentarfilme und deren Macher ihre Geschichten. Dabei verspürt man auch die bittere Erkenntnis, dass Antisemitismus noch immer Platz in den Köpfen und im Alltag der Menschen Europas hat. "Gegen Ressentiments, Rassismus und Menschenverachtung aufzutreten bleibt ein wichtiger Anspruch unseres Festivals", so der Leiter und Gründer des Neiße Festivals, Andreas Friedrich. Im Programm zwei wichtige polnische Spielfilme Ida von PaweÅ‚ Pawlikowski und PokÅ‚osie/Nachlese von WÅ‚adysÅ‚aw Pasikowski. Beide haben mit ihrer neuen Sicht auf das Thema jüdische Vergangenheit für eine große Resonanz in Polen gesorgt. Eine polnisch-irisch-deutsche Produktion unter der Regie des ukrainischen Filmemachers, Evgeny Ruman, Igor und die Reise der Kraniche ist ein poetisches Vater-Sohn Portrait vor dem Hintergrund Isreals und der Ukraine.
Die Reihe begleitet eine vom Zentralrat der Juden in Deutschland gestiftete Video/Foto-Ausstellung Unruhige Orte von Soliman Lawrence. Nach 50 Jahren Besatzung fingen die Polen 1989 damit an, ihre eigene Geschichte und Identität zu befragen. Die jüdische Kultur ist heute populär; das Interesse daran geht vor allem von der nicht-jüdischen Bevölkerung aus. Seit 2006 untersucht der amerikanische, in Berlin lebende, Künstler Soliman Lawrence, wie das Bild der Juden in Polen geprägt ist. Sein Projekt versucht durch Video und Fotografie die Wirkung und Rolle in Bezug auf Identität, Geschichte und Aussöhnungsprozessen in Polen zu erkunden. www.solimanlawrence.com
Vor Ort kann auch den jüdischen Spuren in der Region nachgegangen werden. So finden beispielweise in Görlitz und Zittau Stadtrundgänge statt und am 11.5. öffnet die Synagoge in Görlitz für alle Interessierten ihre Türen.
Am Tag der Befreiung des Görlitzer KZ-Außenlagers spricht einer der letzten Überlebenden des Lagers, Schriftsteller und Maler Shlomo Graber in der Görlitzer Synagoge.
Jüdische Kultur ist vor allem sehr lebendig und klangvoll. Ein musikalischer Beweis dafür sind die Dresdener Klezmer-Band Aklaronte und der DJ Meschugge aus Tel Aviv, beide beim Neiße Filmfestival zu Gast.
Ida
PL, DK 2013 | 80 min | DCP, BR | PL+dUT
Regie: Paweł Pawlikowski
Buch: Rebecca Lenkiewicz, Paweł Pawlikowski
Kamera: Ryszard Lenczewski, Åukasz Å»al
Produzent: Opus Film
Darsteller: Agata Trzebuchowska, Agata Kulesza, Dawid Ogrodnik, Jerzy Trela
Präsentiert von: Film Festival ZOOM Jelenia Góra
Polen 1962. Die 18-jährige, als Waise aufgewachsene Novizin Anna, bekommt von der ?btissin vor Ablage ihres Gelübdes eine überraschende Aufgabe: Sie soll ihre letzte verbleibende Verwandte treffen. Anna fährt zu Wanda, der Schwester ihrer Mutter, der sie noch nie begegnet ist. Das Aufeinandertreffen des behütet aufgewachsenen, religiösen Mädchens und der mondänen wie parteitreuen Richterin wird das Leben beider Frauen verändern. In eindrücklichen S/W-Bildern, still und intensiv, erzählt der preisgekrönte Regisseur Pawel Pawlikowski von zwei Frauen, denen das Vergessen nicht gelingt.Seine poetische wie klare filmische Annäherung an das bis heute mit Schweigen belegte Gemisch aus Antisemitismus, Katholizismus und Kommunismus stellt eine zu Recht ausgezeichnete Perle europäischen Filmschaffens dar.
08.05. 22.00 h KUNSTBAUERKINO 1, GROHEDO
10.05. 22.00 h KRONENKINO, ZITTAU
Pokłosie / Nachlese
PL 2012 | 105 min | DCP, BR | OF + dUT
Regie und Drehbuch: Władysław Pasikowski
Kamera: Paweł Edelman
Darsteller: Maciej Stuhr, Ireneusz Czop, Zbigniew Zamachowski, Danuta Szaflarska, Jerzy Radziwiłłowicz
Filmgespräch und Diskussion mit Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann (HFF Potsdam)
Präsentiert von: SOLANIN Filmfestival
Der polnische Begriff "PokÅ‚osie" entstammt der bäuerlichen Lebenswelt und kann als Ernte oder Nachlese übersetzt werden oder am besten mit "Nachlass". Der Film erzählt von Józef Kalina und seinem Bruder Franciszek, die ein Massaker aufklären, das in ihrem Heimatdorf während des Zweiten Weltkrieges verübt wurde: Die Ermordung der jüdischen Dorfbewohner durch die nicht-jüdischen "“ also die eigenen Nachbarn.
10.05. 22.00 h CAMILLO, GÖRLITZ
Księżyc to Å»yd / Der Mond ist Jüdisch
PL 2011 | 45 min | DVD | OF + dÜ
Regie: Michał Tkaczyński
Buch: Michał Tkaczyński, Paweł Bramson
Kamera: Józef Romasz
Produzent: Wlodzimierz Niderhaus
Zu Gast: Michał Tkaczyński
Präsentiert von: Filmfestival Cottbus
Seine Religion war Fußball, sein Ritual - die Gewalt. Bis PaweÅ‚ erfuhr, dass seine Familie jüdischen Ursprungs ist und er vom radikalen Fußballfan zum orthodoxen Juden wurde. Einblicke in eine ungewöhnliche Biografie und den heutigen Alltag der Juden in Polen.
09.05. 21.00 h HILLERSCHE VILLA, ZITTAU
Igor und die Reise der Kraniche
IL, PL, D 2012 | 90 min | DVD | OF + dÜ
Regie: Evgeny Ruman
Kamera: Adam Sikora
Produzent: UCM, Yeti Films, Ulysses Produktion
Darsteller: Itai Shcherback, Tomasz Sobczak, Ola Schur Selektar
Der 10-jährige Junge Igor ist in seiner neuen Heimat Israel ein Außenseiter. Um sich abzulenken, verfolgt er im Internet den Flug einer Kranichfamilie, ein Forschungsprojekt seines entfremdeten Vaters in der Ukraine und identifiziert sich mit dem Kranichjungen. Als der seine Hilfe braucht, muss Igor selbst aktiv werden und lernt, sein Leben in die Hand zu nehmen. Wird es zur Aussöhnung zwischen Vater und Sohn kommen?
11.05. 13.00 h KUNSTBAUERKINO 2, GROHEDO
We are here / Jesteśmy tutaj.
CA 2013 | 82 min | BR | OF + dÜ
Regie und Buch: Francine Zuckerman
Kamera: Nicolas Villegas
Produzent: Z films inc.
Wie sind ein Land, ein Volk, eine Gemeinschaft und die einzelnen Familien durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs geprägt? Dieser bahnbrechende neue Film erzählt die prekäre und unsichere Wiedergeburt des polnischen jüdischen Lebens im Schatten des Holocaust. Francine Zuckerman, dessen eigener Vater 1939 aus Polen nach Kanada floh, erzählt die Geschichte von fünf Juden im postkommunistischen Polen, die jeden Arbeitstag an ihrem Leben in einem neuen, demokratischen, multikulturellen Polen bauen.Aber kann es neues Leben innerhalb der Grenzen eines Landes mit den anonymen Gräbern von drei Millionen Juden sein?
09.05. 15.00 h KUNSTBAUERKINO 2, GROHEDO
Démanty noci / Diamonds of the night
CZ 1964 | 64 min | 35mm | OF + dÜ
Regie: Jan N?›mec
Buch: Jan N?›mec, Arnošt Lustig
Kamera: Jaroslav Ku?era
Produzent:
Darsteller: Ladislav Janský, Antonín Kumbera, Ilse Bischofová, Ivan Asi?, August Bischof, Josef Koblížek
Das Debüt von N?›mec, einer der größten Regisseure der Tschechoslowakei, gehört zu der absouten Spitze des tschechischen Kinos. Beschrieben wird die Geschichte zweier jüdischer Teenager die versuchen, nach der Flucht aus einem deutschen Zug in ein Konzentrationslager, am Leben zu bleiben. Mit seiner virtuosen Kamera, inspirierter Bearbeitung und brillant genutztem Soundtrack ist der Film ein Wahrzeichen der tschechischen Neuen Welle. Seine Themen, der ewigen Kampf des Menschen, angesichts der unvorstellbaren Schrecken die Menschenwürde zu bewahren, sind heute genauso relevant.
09.05. 20.00 h KINO VARSAVA, LIBEREC
Liga Terezin
IL 2012 | 52 min
Regie: Mike Schwartz, Avi Kanner
Drehbuch: Michael Schwartz
Kamera: Avi Kanner
Präsentiert von: 11 mm Filmfestival
Von 1942 bis 1944 trugen jüdische Häftlinge unzählige Fußballspiele auf improvisierten Spielfeldern in unmittelbarer Nähe ihrer Baracken im Ghetto Theresienstadt aus. Es war der Versuch, sich der traurigen Realität ihrer aufgezwungenen Notlage entgegen zu stemmen. Die Nazis machten davon Filmaufnahmen, um sie für Propagandazwecke zu nutzen. Ausgehend von diesen Aufnahmen spannt der Film einen Bogen zu aktuellen antisemitischen Tendenzen in holländischen Stadien.
10.05. 11.00 h KUNSTBAUERKINO 2, GROHEDO
Kosherland
D 2013 | 15 min | DVD
Regie und Buch: Pyotre Magnus Nedov
Kamera: Boris Kehl
Produzent: Kunsthochschule für Medien Köln
Darsteller: Edgars Punculis, Yaroslav Baturov, Georgih Raihman, Aivars Linis, Pavel Korizno
Gegenwart, Lettland. 60 Minuten nach seiner Gefängnisentlassung wird Gauner Jarik in einen Geldeintreibungsauftrag in Schlomos Laden "Kosherland" verwickelt, der in die Hose geht. Als einziger Überlebender taucht Jarik mit dem Schutzgeld seines Bosses "Rubel" bei seinen Eltern in Kamtschatka unter.
A wonderful Day / Einen schönen Tag
IL 2011 | 24 min | BR | OF + dÜ
Regie: Ariel Weisbrod, Yossi Meiri
Buch: Joseph Fackenheim
Kamera: Ohad Ezra, Yossi Meiri
Darsteller: Lea König, Ori Yaniv, Elinor Kluger, Dvir Benedeck
Shahar lebt in Tel Aviv mit seiner Großmutter in einem Haus zusammen. Er will unbedingt in Deutschland studieren, doch bevor er seine Reise antritt, möchte er seiner Freundin einen Heitratantrag machen und sie fragen, ob sie ihn begleitet. Die Großmutter, die den Holocaust überlebt hat, will wiederum seine Reise nach Deutschland um jeden Preis verhindern. A wonderful Day ist eine zartbittere Komödie, die die Ansichten zweier israelisch Generationen jenseits des zweiten Weltkrieges darstellt.
Sery ta senyory / Sirs and Misters
UA 2013 | 35 min | DVD | OF + eUT + dÜ
Regie: Olexandr Techynskyy
Kamera: Olexandr Techynskyy, Oleksiy Solodunov
Produzent: Yulia Serdyukova Honest Fish Films
In der kleinen ukrainischen Stadt Uman versammeln sich einmal im Jahr Menschen aus dem ganzen Land. Sie spielen Karten, rauchen und warten"¦ Mit der Anfahrt des ersten Reisebusses aus Israel beginnt für viele Ukrainer das Geschäft des Jahres, wenn nämlich die jüdischen Pilger zum Grab des Rabbi Nachman reisen, um dort den traditionellen Neujahrstag Rosch ha-Schana feierlich zu begehen. Gepäckstücke werden "“ natürlich gegen Geld "“ verschleppt, Behausungen werden verkauft, man handelt und feilscht. Dem regen Treiben zwischen den Kulturen und Religionen darf man hier aus einer ganz besonderen Perspektive beiwohnen, mit der die Aufmerksamkeit auf die Ränder des eigentlichen Spektakels gelenkt wird.
09.05. 17.30 h CAMILLO, GÖRLITZ
Jüdischer Friedhof Zittau - Führung
1887 wurde der jüdische Friedhof, am Rande der Stadt Zittau eingeweiht. Auf ihm befinden sich über 60 Gräber und ein Gedenkstein für die Opfer der Shoa. Seit 2013 werden die Grundmauern der ehemaligen Trauerhalle sichtbar gemacht.
Mit einem Rundgang gedenken wir am 8. Mai der jüdischen Bürger, die in der NS-Zeit zu Opfern wurden.
Wir laden Sie ein, uns auf den Spuren jüdischer Geschichte und Kultur zu begleiten. Der Friedhof ist von 14.30- 16 Uhr allen Besuchern zugänglich. Männer tragen bitte eine Kopfbedeckung.
Treffpunkt: Jüdischer Friedhof, Görlitzer Straße (nach der Weinau, vor der Schnellstraßenbrücke)
08.05. 15.00 h JÜDISCHER FRIEDHOF, ZITTAU
Gespräch mit Shlomo Graber
Am 8. Mai 1945 wurde das Görlitzer KZ-Außenlager von der Roten Armee befreit. Shlomo Graber, Schriftsteller und Maler, ist einer der letzten Überlebenden des Lagers. Er lebt heute in Basel.
Gesprächsleitung: Frank Seibel
Eine Veranstaltung des Freundeskreises Görlitzer Synagoge e.V.
08.05. 19.00 h SYNAGOGE, GÖRLITZ
Tag der offenen Tür der Görlitzer Synagoge